Weniger isst mehr

Widerlegt noch das letzte Vorurteil gegen die vegetarische Küche: das «Tassajara» in Eppendorf

Vielleicht muss man die Geschichte des kalifornischen Ehepaars auf Hamburg - Besuch erzählen, um die Bedeutung des «Tassajara» zu verstehen. Frustriert von zwei Abendessen in mittelmäßigen Restaurants kehrten sie in das vegetarische Restaurant  ein – und kamen während ihres restlichen Aufenthalts wieder ,sechs Abende hintereinander.

Denn das Tassajara machts nicht einfach satt. Hier tut man etwas für Körper, Geist, und Seele – und fürs Herz: Wer als großstadtgehetzter Tofuverächter mit Loch im Bauch kommt, geht mit dem wohlig-satten Gefühl, ein Schlaraffenland gefunden zu haben. Und beschließt vielleicht, Stammgast zu werden. Rund 60 Prozent der Besucher sind dies, schätzt Inhaberin Martina Witzorek-Singh, die das Tassajara seit 1976 – damals hieß es noch „Golden Temple“ – zusammen mit ihrem Mann führt. In Zeiten also, als vegetarisch gleichbedeutend war mit Körnerfresserei, tristen Pasten, heruntergezogenen Mundwinkeln.

Los geht´s mit einem Vitaminschock, einem frisch gepressten Melonen-Orangen-Karottensaft, verfeinert mit Ingwer und Minze (3,90Euro). Was man aus Obst, Gemüse und Kräutern zaubern kann, zeigen die Tagessuppe, eine samtene Linsensuppe (4,50Euro), sowie der Favorit auf der umfangreichen Karte: Die „Pilzwiese“, ein Salatbett, auf dem eine gebackene Kartoffel thront, überhäuft mit frisch gebratenen Champignons und Zwiebeln (11,90 Euro) - ein Gericht, das einen wieder auf die richtige Bahn bringt , wenn man es etwas übertrieben hat.

Wir entscheiden uns für Seitan mit Süßkartoffelpüree und Senfauberginen mediterran (16,90Euro), der derart hübsch angerichtet daherkommt, dass man sich kaum traut, mit der Gabel hineinzupieken - bis der Hunger siegt. Sehen wir der kulinarischen Wahrheit ins Gesicht: Normale Esser erinnert Seitan an Gummisohle. Frisch aus der Pfanne des indischen Kochs Karamjit Singh ist er dagegen butterweich, würzig, köstlich.

Das Tassajara beweist: Vegetarisch ist weder die Küche des Weglassens noch genussfrei. Herrliche Bioweine hat das in Rottönen gehaltene Restaurant im Angebot, Bordeauxsaucen sowie supersaftigen Mohnkuchen, auch zum Mitnehmen. Selbst wer Gluten und Laktose meidet, Allergiker ist oder schlicht Purist, fühlt sich hier in guten Händen, zum Beispiel mit der Rohkostplatte „Tassajara“ mit geraspelten Möhren, Rote Bete, Rettich, gekrönt von verschiedenen Käsesorten, Nüssen und Avocadocreme (11,90Euro), bei der die Kaumuskeln ordentlich zu tun bekommen.

 Unser Favorit auf der Nachtischkarte: ein Pfirsichdessert mit karamellisierten Mandeln, hausgemachtem Ingwereis und Fromage blanc (6,90Euro) – suchtverdächtig. „Kommen Sie nach Kalifornien, Sie werden viele Menschen dort glücklich machen.“ So lauteten die Abschiedsworte des kalifornischen Pärchens. Wie gut, dass er den Hamburgern vorbehalten ist, sich ihr tägliches Stück Glück abzuholen, in Eppendorf, im Tassajara.

Kurz Biographie
Kochen gelernt hat der 56-jährige Karamjit Singh bei seiner Mutter. Diese Kenntnisse verfeinert er in italienischen Restaurants, inzwischen ist er mit ayurvedischer Küche so vertraut  wie mit makrobiotischer. Die wenige Zeit, die er mit seiner Frau Martina Witzorek nicht im „Tassajara“ verbringt (ihr Sohn arbeitet inzwischen mit), investiert er in die Entdeckung fremder Küchen. „Unser ganzes Leben dreht sich um Essen und Genuss“, sagt Singh.

Text: Karolin Jacquemain Fotos: Thomas Leidig